Auflösungstext der Jugendantifa Bielefeld

Wie ihr wahrscheinlich schon bemerkt habt, ist es in den letzten Monaten um JABi sehr ruhig geworden. Das liegt daran, dass wir festgestellt haben, dass wir mit unserer Arbeit als Gruppe nicht mehr so zufrieden sind.

Daher haben wir uns dazu entschlossen, uns als Gruppe aufzulösen. Da wir nun schon längere Zeit inaktiv waren, hier nochmal ein kleiner Abriss zu unserer Arbeit der letzten Jahre:

Gegründet haben wir uns am 16.1.2020. Wir wollten in einem festen Kontext zusammenarbeiten, gemeinsame Aktionen starten und politischen Themen, die die Jugendlichen in Bielefeld betreffen, eine Stimme aus linksradikaler Position geben. Vor allem wollten wir Jugendlichen eine Möglichkeit geben, sich auch außerhalb von Jugendprogrammen von Parteien organisieren zu können und zeigen, dass sie nicht alleine mit ihrer Meinung sind.

In den nächsten Jahren haben wir von Protesten gegen die Querdenker*innen und gegen das Versammlungsgesetz, über Bündnisarbeit und die Kampagne Fahrscheinfrei, bis hin zu einer eigenen Veranstaltungsreihe und Demo am 13.12. zum Thema Polizei(-Gewalt) zu unterschiedlichen linksradikalen Themen gearbeitet.

Auch wenn wir diese Arbeit zu ihrem Zeitpunkt immer noch für richtig halten, haben wir in letzter Zeit gemerkt, dass sie nicht mehr unseren jetzigen Vorstellungen von unserer politischen Praxis entspricht.

Wir haben erkannt, dass es in Bielefeld zur Zeit keine Notwendigkeit für die derartige Arbeit unserer Gruppe gibt.

Ein Grund dafür ist unter anderem, dass wir gerade im Bezug auf die Querdenken Bewegung eine Umstrukturierung der Rechten beobachtet haben. Wir haben festgestellt, dass die Rechten im Zuge der Corona-Pandemie zu einer tatsächlichen organisierten Massenbewegung geworden sind, die es offenbar auch schafft, Menschen, die auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrem Leiden im Kapitalismus sind, anzusprechen. Deshalb ist es aus unserer Sicht teilweise nicht mehr besonders effektiv, mit den gleichen Methoden, die wir aus der antifaschistischen Arbeit von vor ca. zehn Jahren kennen, den neuen Aufgaben zu begegnen. Dazu gehört bspw. unserer Meinung nach, Sitzblockaden gegen die Faschist*innen zu organisieren. Gerade im Bezug auf den „heißen Herbst“ haben wir bemerkt, dass es notwendig ist, der Massenorganisation der Faschist*innen mit eigenen Antworten auf die wichtigen sozialen Fragen unserer Zeit zu begegnen. Vor Allem, weil wir wissen, dass sozialer Fortschritt nicht mit rechten Ideologien und sogenannten Krisenlösungen zu erreichen ist und nur emanzipatorische Ansätze eine Antwort auf die Krisen des Kapitalismus bieten können!

Zudem gibt es in Bielefeld viele Gruppen, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen, wie wir es in der Vergangenheit gemacht haben und es auch in Zukunft gerne noch wollen.

Wir haben auch festgestellt, dass wir eine Linke brauchen, die die Probleme der jungen Menschen anspricht (schlechte Ausbildungsbedingungen, Schulstress, Armut und die Militarisierung der Gesellschaft) und es schafft selbst organisierten Widerstand dagegen auf die Straße und in die gesellschaftlichen Strukturen zu bringen. Wir finden darum, dass unsere selbstorganisierten Orte zugänglicher werden müssen, und es immer wichtiger wird im Bezug auf die soziale Krise. die Menschen an ihrem Lebensschwerpunkt abzuholen. Ein gutes Beispiel dafür ist das antifaschistische Jugendcafé Bielefeld.

Diese Auflösung heißt natürlich nicht das Ende unserer politischen Arbeit. Wir werden weiter aktiv bleiben und für unsere Ziele einstehen!

Wir danken allen Gruppen und Einzelpersonen, die uns auf unserem Weg mit Rat und Tat zur Seite standen und mit denen wir zusammen gearbeitet haben.

Antifaschismus bleibt notwendig, wie wir jetzt unter anderem an der Wahl der Faschistin Meloni in Italien sehen können. Organisiert euch, passt auf einander auf und steht ein für eine Gesellschaft ohne Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat!

Hoch die Internationale Solidarität!

Kein Dank an die Bielefelder Bullenschweine, explizit an den Staatsschutz. Der Kampf geht weiter!

Eure Jugendantifa <3

 

 

Falls ihr euch über das linke politische Leben in Bielefeld informieren/organisieren wollt, hier noch eine Liste von Organisationen und Gruppen.

  • Alibi
  • Antifa AG
  • Antifaschistisches Jugend Café
  • BUND Jugend
  • CafeExil
  • Didif
  • DGB Jugend
  • Ende Gelände
  • FAU
  • FemRef
  • FFF
  • Genug ist Genug
  • Initiative gegen Krieg und Militarismus
  • Interventionistische Linke
  • Jüdische Hochschulgruppe
  • Junge Linke
  • LiLaBi
  • Revolutionärer Jugendbund
  • RiseUp
  • Rote Hilfe
  • SDAJ
  • Seebrücke
  • TCS Bielefeld
  • Tekojin Bielefeld
  • Verdi. Jugend

Polizei: Zwischen Repression, Überwachung und Gewalt – Unser Kampf ist international

Im Jahr 2020 wurden verschiedene Dimensionen von Polizeigewalt so eindeutig sichtbar wie selten zuvor, nicht nur hier in Bielefeld, sondern auch deutschland- und weltweit. Nach der Ermordung von George Floyd kamen weltweit Proteste gegen Rassismus in der Polizei auf und die Debatte um Anti-Rassismus erlebte einen starken Aufschwung. Trotzdem wurde kurz darauf in Deutschland (in Bremen) Mohamed Idrissi, eine Person of Colour ermordet. Bei diesem Fall wurde auch noch stark verankerter Ableismus bzw Saneismus deutlich. Innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung bei den “Ende Gelände” Aktionen wurde vor allem Gewalt gegen den antikolonialen Finger angewendet. Immer wieder zeigt sich auch, dass die Polizei die Durchsetzung von Kapitalinteressen erkämpft, wie z.B. der Umgang mit AktivistInnen in dem Danni und die Räumung der Liebig und anderen Hausprojekten zeigen. 
Insgesamt wird deutlich: der Kampf gegen Polizeigewalt und Repression ist kein nationaler. Er endet nicht an Ländergrenzen, sondern internationale Solidarität ist notwendig, um die bestehenden Verhältnisse zu überwinden! 
Doch was ist eigentlich meine Rolle in diesem Kampf, welche Rechte habe ich im Umgang mit der Polizei und wo bin ich auf Unterstützung angewiesen? Was kann ich tun und wie sieht internationale Solidarität eigentlich in der Praxis aus? 
Auf diese und weiteren Fragen möchten wir in der Veranstaltungsreihe Antworten liefern. 
Seit Jahren werden viele verschiedene Gesichter der Polizei deutlich: ob bei gewalttätigen Übergriffen gegen BiPoc oder gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung, ob bei Repression gegen die Radikale Linke, die kurdische Freiheitsbewegung oder Hausbesetzer:innen sowie bei der Durchsetzung von Kapitalinteressen…
Immer wieder wird deutlich: der Kampf gegen Polizeigewalt und Repression ist kein nationaler. Er endet nicht an Ländergrenzen, sondern internationale Solidarität ist notwendig, um die bestehenden Verhältnisse zu überwinden! 
Doch was ist eigentlich meine Rolle in diesem Kampf, welche Rechte habe ich im Umgang mit der Polizei und wo bin ich auf Unterstützung angewiesen? Was kann ich tun und wie sieht internationale Solidarität eigentlich in der Praxis aus? 
Auf diese und weiteren Fragen möchten wir in der Veranstaltungsreihe Antworten liefern. 

No justice – no peace!

Am 05. März 2021 wurde der 19-jährige  Qosay Sadam Khalaf während einer angeblichen Drogenkontrolle brutal festgenommen, die notärztliche Versorgung  wurde ihm laut Augenzeug*innen verweigert. Einen Tag später starb er in Polizeigewahrsam unter „ungeklärten“ Umständen. Er reiht sich damit mit mindestens 181 BIPoC ein, die seit 1990 in der BRD in Polizeigewahrsam starben – 57 allein in den letzten 5 Jahren (doku.deathincustody.info). Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein, von den vielen ermordeten BIPoC an den EU-Außengrenzen ganz zu schweigen.
George Floyd hat uns die Problematik des institutionellem Rassismus noch einmal vor Augen geführt, aber das Problem ist nicht neu und wird nicht durch betroffene Social-Media-Posts bei jedem weiter bekannten Fall gelöst. Wir brauchen keine Rassismus-Studien um zu wissen, dass die Polizei eine von Grund auf rassistische Behörde ist: Betroffene wissen das schon lange. Wir müssen ihnen endlich zuhören und uns im Kampf für eine Welt jenseits von rassistischer Polizei zusammenschließen!
Wir müssen den durch rassistische Polizeigewalt gestorbenen Personen gedenken und ihre Namen sagen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Wir müssen bei rassistischen Kontrollen eingreifen – auch in Bielefeld gehören diese zur Tagesordnung, zum Beispiel am Kesselbrink. Die Bielefelder Polizei gehört damit genauso zum Problem wie jede andere Polizeibehörde. Wir müssen endlich begreifen, dass Cops im Kampf gegen Rassismus niemals Verbündete, sondern immer Täter*innen sein werden. Wir müssen jeden einzelnen Fall von rassistischer Polizeigewalt, rechte Chatgruppen und Nazicops zum Anlass nehmen, unsere Wut darüber auf die Straße und zu den Polizeirevieren zu tragen.
Und wir müssen zeigen, dass wir uns von der Polizei nichts mehr gefallen lassen!
Wir fordern euch alle auf, Fälle rassistischer Polizeigewalt hier in Bielefeld und anderswo nicht unbeantwortet zu lassen. Schließt such zusammen und macht euch Gedanken, was der alltäglichen Polizeischikane entgegengesetzt werden kann!
Rest in Power, Qosay!

1. Geburtstag der Jugendantifa Bielefeld

2020 war für uns alle ein sehr aufregendes Jahr, das ganz anders verlaufen ist als wir gehofft hatten. Als wir Anfang Januar unser erstes Treffen hatten, wussten wir noch nicht, was auf uns zukommen würde. Eine kleine Zusammenfassung, was in unserem ersten Jahr alles so gelaufen ist: 
Nach unserem ersten Treffen stand erstmal eine längere interne ‘Findungsphase’ an. Anfang April hatten wir dann endlich auch Social Media am Start und sind seitdem auf Twitter und Instagram unterwegs. Unser Auftakt war eine Plakataktion im Rahmen eines Aktionstages zu #leavonoonebehind. Fast ein Jahr später müssen wir weiterhin für ein gutes Leben für alle und gegen ein Verdrängen der Zustände an den EU Außengrenzen und auf dem Mittelmeer kämpfen – auch heute sagen wir weiterhin: Öffnet die Grenzen! Fight Fortress Europe! Zu dem Zeitpunkt waren auch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie schon fest in unserem Alltag verankert und wir mussten einige unserer Pläne erstmal aufschieben (aber bleibt  gespannt!).  Ab da waren unsere politischen Kämpfe viel davon bestimmt zu zeigen, dass der Kapitalismus nicht Teil der Krise ist, sondern dass unser Wirtschaftssystem in sich selbst schon eine Krise darstellt. Zu dem Zeitpunkt haben sich auch verschiedene Gruppen für die Kampagne ‘Shutdown Schweinesystem’zusammengefunden,um am Beispiel von Tönnies Zusammenhänge von kapitalistischer Ausbeutung und Corona-Krisenherden zu verdeutlichen. 
Im Juni wurde in den USA George Floyd von einem Polizisten ermordet und weltweit wurden Proteste gegen rassistische Polizeigewalt auf die Straßen getragen. Kurz darauf fand dann in Bielefeld auch eine Demo in Gedenken an Halim Dener und alle anderen Opfer rassitischer polizeilicher Willkür und Gewalt statt, die von uns mitorganisiert wurde. Das ganze Jahr war ausßerdem geprägt von einer Mobilisierung gegen Verschwörungsideolog*innen und ihren Veranstaltungen und einem analytischen Entkräften ihrer Aussagen. Zum Ende des Sommers hin haben wir dann mit dem neu gegründeten Klimaaktionsbündnis eine Demo veranstaltet und am 09.11. die Demo des Antifa-Bündnisses zum Gedenken an die Novermberpogrome unterstützt. Eine erfreuliche Nachricht kam dann zum Ende des Jahres 2020: das AJZ hat den Prozess um das Halim-Dener Graffiti gewonnen! 
Sicherlich haben wir in unserem ersten Jahr einiges auch  nicht so machen können, wie wir wollten, aber rückblickend war es trotzdem ein erfolgreiches Jahr. Ein großer Dank gilt an dieser Stelle allen Freund*innen und Genoss*innen, die uns immer mit Rat und Tat zur Seite stehen, die uns unterstützen und ohne die wir lange nicht so viel auf die Beine stellen und bewegen könnten wie zusammen. Seid gespannt, was die kommende Zeit alles passieren wird und wir freuen uns auf unsere gemeinsamen Unternehmungen! 

Rede von der Gedenkdemo am 9.11.2020 in Bielefeld

Im November vor 82 Jahren wurden unter anderem auch hier in Bielefeld Geschäfte geplündert, Synagogen, Schulen und Orte jüdischen Lebens abgebrannt, Jüdinnen und Juden gefoltert und ermordet. Doch die Novemberpogrome markieren erst den Übergang in die existenzielle Vernichtungspolitik des NS-Regimes gegen jüdische Menschen.
Auch 80 Jahre später sind die Strukturen noch nicht aufgebrochen. Wir sehen Reichskriegflaggen am Reichstag, stolz marschierende Neonazis und Attentate auf Synagogen.
Marian Turski, ein Überlebender aus Auschwitz sagte : “Es ist passiert. Das bedeutet, dass es passieren kann. Das bedeutet, dass es überall passieren kann.”
Unsere Trauer am heutigen Tag gilt allen Opfern von damals und heute. Wir gedenken allen, die unter dem NS-Regime verfolgt und ermordet wurden und denken an alle, die heute täglich unter rassistischen Aussagen zu leiden haben, deren Stimmen nicht gehört, die unterdrückt und verfolgt werden. 
Nur weil der Terror des NS Regimes mittlerweile über 70 Jahre her ist, dürfen wir uns nicht von der Verantwortung  befreien. Wir als nächste Genertionen können Geschehenes nicht rückgängig machen, wohl aber dafür einstehen, dass sich die Taten von damals nicht wiederholen!  
Ein wichtiger Bestandteil unseres Gedenkens ist außerdem das Hinterfragen des eigenen Handelns und den eigenen Einstellungen. Auch wir als progressive Linke können uns nicht davon freisprechen, bestimmte Stereotype zu reproduzieren und es muss ein Teil unseres Erinnerns sein, dieses zu hinterfragen, in den Austausch zu gehen und immer weiter zu lernen. 
Wir müssen gedenken und erinnern, wir müssen trauern aber wir müssen auch wütend werden und diese Wut gehört auf die Straßen!
Schon damals waren es nicht nur vereinzelte Täter*innen, die für das Leiden von Millionen von Menschen verantwortlich waren. Es waren Väter, Schwestern, Nachbar*innen oder auch die Ladenbesitzer*innen aus der eigenen Stadt, die den Faschismus stillschweigend hingenommen haben und wegschauten. Auch heute sind in der Gesellschaft noch die Grundsteine dafür gelegt, dass sich rechte Attentate immer und immer wiederholen werden. Es wird verharmlost, runtergespielt, von Einzeltäter*innen gesprochen. Antisemitische, rassistische und antifeministische Ideologien sind nicht vereinzelt wahrzunehmen, sondern bestimmen den Konsens und den Diskurs. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir ein Bewusstsein darüber erlangen, dass die Ideologien sich zwar nicht geändert haben, sich die Geschichte aber nicht eins zu eins wiederholen wird, sondern die heutigen Taten anders aussehen werden als die von damals. Zu erwähnen sind hier unter anderem die Coronaleugner*innen, bei denen schon lange genug klar ist, dass Reichsbürger*innen und rechtesextreme Menschen mit auf die Straßen gehen, die AfD, die beinahe überall im Stadtrat sitzt und auch durch Bielefeld sind jahrelang Nazis marschiert, um der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck zum Geburtstag zu gratulieren. 
Immer wieder zeigt sich: Im Kampf gegen Faschismus, gegen Antisemitismus und Rassismus ist kein Verlass auf Politiker*innen und Parlamente. Immer wieder zeigen neue Fälle von Racial Profiling, das Auffliegen von rechten Netzwerken, der Umgang mit Menschen an den EU-Außengrenzen und viele weitere Vorfälle, dass der Staat versagt und vergessen hat. Wir dürfen uns nicht auf ihn verlassen. Wir als linke Szene müssen unsere Wut und Trauer zum Ausdruck bringen.Präsenz zeigen, strukturelle Taten benennen und Solidarität leben. Die Überwindung der herrschenden Verhältnisse und ein gutes und schönes Leben für alle wird auf der Straße erkämpft. Wir brauchen ein solidarisches Miteinander, ein Aufzeigen und Lautwerden gegen rassistische Parolen, ein zu seinen Ansichten stehen beim Arbeiten und den Mut zur Diskussion mit Freund*innen und Familie. Tag für Tag müssen wir dafür einstehen, dass nicht immer nur vom Kampf gegen rechtsextreme Kontinuitäten gesprochen wird, sondern dass dieser aktiv geführt wird! 
Das alles wird Schritt für Schritt zu einer Verbesserung der Verhältnisse beitragen. Nur zusammen können wir diese Verhältnisse letztendlich überwinden! Gemeinsam kämpfen gegen Geschichtsrevisionismus und Rechten Terror! 

Redebeitrag Gedenkdemo Halim Dener Bielefeld

Der Kurde Halim Dener war 16 Jahre alt, als er beim aufhängen von Plakaten einer kurdischen Organisation in Hannover erschossen wurde. 
Halim Dener ist Opfer politischer Repression. Als Kurde in der Türkei verfolgt und kriminalisiert, floh er nach Deutschland, in der Hoffnung hier ein sicheres Leben führen zu können. Stattdessen trafen er und seine Genoss*innen auf ein Klima der Ablehnung, die PKK war gerade verboten. Für die Repressionsbehörden war klar: Kurd*in = PKK = Terrorist*in. 
Schon damals pflegte die BRD mit der Türkei enge Beziehungen, die vor allem das Waffengeschäft betrafen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, neuste Zahlen bestätigen, dass ein Drittel der türkischen Kriegswaffen aus Deutschland stammen. Damit ist Deutschland aktiv an der Kriminalisierung und Verfolgung von Kurdischen Menschen in der Türkei beteiligt, nicht verwunderlich also, dass sich diese Beziehungen auch im Umgang mit Kurdischen Menschen in Deutschland bemerkbar machen. 
Außerdem ist Halim Dener Opfer von rassistischer Polizeigewalt. Ich denke für uns alle ist klar, dass es sich nicht um einen Unfall handelte, dass sich kein Schuss versehentlich aus der Waffe des Polizisten gelöst hat, sondern dass Halim vorsätzlich erschossen wurde. Unter anderem fällt die Ermordung Deners in eine Reihe von Repressionen gegen die Kurdische Bewegung Mitte der 1990er Jahre. Auch ist es nicht etwa der Polizist, der Konsequenzen für sein Handeln tragen musste, sondern nach der Ermordung hat sich die Kriminalisierung der Kurd*innen nur weiter verschärft, es gab zum Beispiel vermehrt Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit der Ermordung Deners. Auf der anderen Seite wurden von den Bullen Beweise vernichtet und der Mörder wurde freigesprochen. Die Kriminalisierung legitimen Protests oder Gedenkens wird auch heute von den Repressionsbehörden vollzogen, wie ständige Demo-Stops durch scheinheilige Fahnenverbote, der Prozess gegen das Gedenkgrafitti für Halim Dener am AJZ oder die riesigen Polizeiaufgebote bei Demos zeigen. 
Die Ermordung Halim Deners ist am 29.6. 26 Jahre her, seine Geschichte ist aber kein Einzelfall. 
Vor ein paar Tagen startete Erdogan erneut eine Militäroperation gegen Kurdistan. Ein Ende des türkischen Faschismus gegen die Kurd*Innen ist somit noch lange nicht in Sicht. Letzten Dienstag erst sind erneut gezielt drei Aktivist*innen der Freiheitsbewegung durch einen gezielten Drohnenangriff des türkischen Staates in Kobane getötet worden.
In den USA kam es darüber hinaus zu dem Mord an George Floyd durch einen weißen Polizisten, der eine weltweite Protestwelle ausgelöst hat. Überall auf der Welt kämpfen Menschen für Gerechtigkeit und machen auf den oftmals tödlichen Umgang von Bullen mit Schwarzen Menschen und People Of Color aufmerksam.
Aber das Problem von rassistischer Polizeigewalt ist kein amerikanisches, es ist ein weltweites. Die Kontinuität rassistischer Polizeikontrollen und Polizeigewalt lässt sich auch in Deutschland beobachten. So verbrannte Oury Jalloh 2005 in seiner Zelle in Dessau, Amad Ahmad 2018 in seiner Zelle in Kleve. Auch hier in Bielefeld (zum Beispiel auf dem Kesselbrink) kommt es beinahe täglich zu rassistischen Kontrollen, erst vor einigen Tagen kam es zu ähnlichen Szenen wie bei der Ermordung von George Floyd.
Für uns ist klar: Die Zeit der Diskussionen um Rassismus in staatlichen Behörden ist vorbei! Es geht nicht länger darum, ob Rassismus in der Polzei existiert, sondern darum, ihn als ein strukturelles Problem anzuerkennen, dass wir alle gemeinsam bekämpfen müssen. 
Wir dürfen nicht länger schweigen und zusehen, sondern wir müssen Solidarität zeigen mit unseren Kurdischen Freund*innen und allen Betroffenen rassistischer Polizeigewalt. Die Repression gegen Kurdische Menschen und People Of Color gilt uns allen! Gemeinsam werden wir weiterkämpfen, um die bestehenden Verhältnisse zu überwinden, und wenn es noch weitere 26 Jahre dauert! 

Analyse der staatlichen Corona-Maßnahmen in Zusammenhang mit Verschwörungsideologien

In den letzten Wochen sind in Deutschland und anderen Ländern vermehrt Demos veranstaltet worden, bei denen sich unter Namen wie „Gemeinsam für unsere Grundrechte“ oder „Querdenken“ angeblich für die Bewahrung der Grundrechte in Zeiten der Corona-Pandemie eingesetzt werden soll. Ein Anliegen, dass sicherlich viele von uns nachvollziehbar und wichtig finden, schließlich sind Grundrechtseinschränkungen und reales und spürbares Problem- und bei den Lockerungen werden die Einschränkungen noch sichtbarer als vorher. Zu dritt im Park sitzen ist verboten, aber zu Hunderten am Fließband stehen ist erlaubt. Wieso darf man sich in Cafés quetschen aber nicht die im Sterben liegenden Verwandten besuchen oder bei der Geburt seines Kindes dabei sein?!

Dass diese Regelungen einer kapitalistischen Logik folgen ist unverkennbar, und Wut darüber ist angebracht, weil hier ganz offensichtlich die Menschen dem Profit untergeordnet werden. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig zu schauen, wie diese Kritik formuliert wird oder wer diese Kritik äußert. Die angeblich antikapitalistische Kritik der Coronaleugner*innen, die die gesamte Schuld an der aktuellen Situation einigen scheinbar die Welt kontrollierenden Milliardär*Innen zuschieben, fällt in sich zusammen, wenn man sich anschaut, welche Parteien im Bundestag diesen Kurs durchsetzen wollen: die AfD und die FDP, also zwei neoliberale Parteien, deren Anhänger*innen Lobbyarbeit für die angeblich verhassten Eliten betreiben. Es zeigt sich, dass die angebliche Kritik bestenfalls leere Phrasen sind, um eine Basis für Behauptungen wie „Bill Gates will uns alle zwangsimpfen“ zu schaffen, in vielen Fällen aber auch eine klar antisemitische Komponente beinhalten. Dies fängt bei Erzählungen, die sämtliche Analysen von Kapital und marktwirtschaftlichen Zwängen außer Acht lassen und hört bei offen antisemitischen Aussagen über die Rothschilds auf. Eine generelle Unzufriedenheit und Verunsicherung angesichts der aktuellen Situation wird gezielt dazu genutzt, rechte Propaganda zu verbreiten und salonfähig zu machen. Die Anwesenheit von Familie Ulrich bei der ersten Demo vor zwei Wochen sowie ein Blick in die offene „Grundrechte OWL“- Telegramgruppe sollten hier letzte Zweifel aus dem Weg räumen. Dabei stellt Bielefeld keine Ausnahme dar, sondern die beschriebenen Dynamiken sind überall dort sichtbar, wo die vorgeblich zur Sicherung der Grundrechte veranstalteten Demos stattfinden.

Grundsätzlich wird sich argumentativ immer einer Querfrontlogik bedient, die faktisch jedoch nur eine Rechtsoffenheit bedeutet, denn für Linke schließt sich eine Zusammenarbeit mit Nazis dankenswerter Weise aus. Auch medial wird dieses Märchen der politisch unabhängigen Querfront immer wieder verbreitet, dort wird dann davon gesprochen, dass auf den Demos neben Rechtsradikalen auch linksradikale Kräfte und die bürgerliche Mitte anwesend wären. Daran zeigt sich: Die Extremismustheorie kommt nach wie vor gut an und bewahrt einen selbst davor, sich zu hinterfragen, mit wem man da eigentlich auf die Straße geht.

Auffällig ist auch, dass viele Promis, wie zum Beispiel die Musiker Xavier Naidoo und Sido, diese Verschwörungstheorien verbreiten. Sie alle vertreten in ihrer Argumentationen die Position, man müsse mit allen reden, sich jede Meinung anhören und auch Holocaustleugnung sei kein Grund, jenen den Holocaust verleugnenden Personen die Meinung abzusprechen oder wenigstens an ihrer Seriosität zu zweifeln.

Es ist für unseren Protest, diese Tatsachen offenzulegen. Die Leute, die bei diesen Demos mitlaufen und sich in diversen verschwörungstheoretischen Social-Media-Gruppen befinden, sind keine linken, keine progressiven Menschen. Es sind Nazis und Menschen, die kein Problem mit einem Schulterschluss mit Nazis oder der Weitertragung ihrer Ideologien und Propaganda haben. Deshalb muss für Antifaschist*innen überall klar sein, dass diese Demos bekämpft werden müssen. Wir dürfen den Rechten weder die Straße noch die Diskurshoheit überlassen. Stattdessen müssen wir versuchen, die Menschen mit emanzipatorischen Analysen der autoritär durchgesetzten, vom Kapital statt vom Wohlergehen der Menschen gesteuerten Maßnahmen zu überzeugen.

Für das gute Leben für alle und gegen Verschwörungsideologien und das Sterben für den Profit!

Schulöffnungen in Zeiten von Corona – der Versuch einer emanzipatorischen Analyse

Am 15. April haben die Kultusminister*innen der 16 Bundesländer getagt, um den weiteren Umgang mit der Corona-Krise zu besprechen. Neben einigen Lockerungen wurden unter anderem auch die Öffnungen der Schulen in Deutschland ab spätestens dem 04. Mai beschlossen, obwohl andere Länder die Schließung ihrer Bildungseinrichtungen noch verlängert haben. Für uns steht allerdings fest: Das ist unverantwortlich! Im Folgenden wollen wir darlegen, welche Konsequenzen man aus diesem Beschluss ziehen kann, auch was die Einordnung der abzulegenden Abschlussprüfungen betrifft.
Klar ist, dass die nötigen Hygienemaßnahmen innerhalb der nächsten zwei Wochen nicht ausreichend umgesetzt werden können. Ein Grund dafür ist, dass die Schulen jahrzehntelang kaputt gespart wurden. Die Folgen sehen wir jetzt: Zu viele Schüler*innen auf zu engem Raum und Mängel in der Austattung was Waschbecken etc. betrifft. Außerdem sind rund 25% des Lehrpersonals in einem Alter, in dem sie selbst der Risikogruppe angehören und somit ihr Kontakt mit Schüler*innen äußerst gesundheitsgefährdend ist. Es bleiben viele Fragen offen, die von ‘Wie sollen Kurse von 30 Mitgliedern unterrichtet werden?’ bis hin zu  ‘Wie komme ich zur Schule, ohne das Risiko eines überfüllten öffentlichen Verkehrsmittels einzugehen?’ gehen. Es liegt auf der Hand, dass das Ansteckungsrisiko innerhalb von Bildungseinrichtungen überproportional hoch ist und somit eine Explosion der Ansteckungszahlen unvermeidbar bleibt. Außer Acht gelassen wird hierbei auch die Gefahr, dass sowohl Schüler*innen als auch Eltern Risikogruppe sein können. Eine Lösung für die dadurch nicht einzuhaltende Schulpflicht oder wie man mit Schüler*innen umgeht, die durch Corona ihre Abschlussprüfungen nicht schreiben können, wurde noch nicht gefunden.  
Das für uns vielleicht zentralste Argument ist jedoch, dass die Entscheidung der Schulöffnungen zeigt, wie wenig Meinungen der Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen und Gewerkschaften zählen, die allesamt über Petitionen, Offene Briefe etc. ihre Meinung gegen Schulöffnungen kundgetan haben. Deutlich wird hierbei, dass für die Politiker*innen hauptsächlich zählt, ihre Macht durchzusetzen und sie keinerlei Interesse dran haben, auf Hinweise der Menschen zu hören, die von den beschlossenen Maßnahmen am meisten betroffen sind. 
Während Freiheiten des Grundgesetzes massiv eingeschränkt werden und es so gut wie unmöglich gemacht wird, seinen politischen Protest im Stadtbild zu äußern, werden die Infektionsgefahren durch die Arbeit und nun auch die Schule in Kauf genommnen. Dies scheint nach dem Motto “Hauptsache die Wirtschaft ist am Laufen” zu geschehen.
Ironischerweise richtet sich die Regierung bei den Lockerungen vor allem nach dem Empfehlungen eines Gremiums der Leopoldina. Diese veröffentlichten 2016 ein Papier, in dem aufgrund von Profitinteressen empfohlen wurde, einen Großteil der bestehenden Krankenhäuser zu schließen. Was dies in in der jetztigen Situation bedeutet hätte, ist wohl für jede*n ersichtlich. Bemerkenswert ist auch die Zusammensetzung des Gremiums, welches aus 2 Frauen und 22 Männern besteht. Die Interessen von FLINT* Personen sind somit deutlich unterrepräsentiert, obwohl sie den Großteil der durch diese Situation aufkommenden Last auffangen müssen. 
Es ist klar, dass die neoliberale Marktlogik gescheitert ist. Aktuell werden riesige Konzerne durch milliardenschwere Subventionen unterstützt. Dies geschient teils auch trotz vorhandener finanzieller Rücklagen. Gleichzeitig werden Milliarden Euro an Aktionär*innen ausgezahlt, während die Löhne in den systemrelevanten Berufen beschämend gering sind und die Mitarbeitenden neben Geldnöten nun auch noch verstärken Gesundheitsrisiken entgegenstehen. Es kann nicht sein, dass während die Risiken und Unsicherheiten für Großverdiener*innen vom Staat abgefangen werden, massenhaft Profite privatisiert werden und diejenigen, die durch soziale Ungleichheiten noch zusätzlich betroffen sind, alleine darstehen.  
Trotz großen Widerstands wurde beschlossen, die Abschlussprüfungen (ob Abitur, mittlere Reife oder GesellInnenprüfungen) stattfinden zu lassen. Diesem Entschluss stellen wir uns klar entgegen! 
Die aktuelle Situation sorgt für eine massive Differenz, was die Chancengleichheit betrifft. Was für die einen entspanntes Lernen zuhause ist, wird für vor allem sowieso schon gesellschaftlich marginalisierte Gruppen zur Qual. Wer sich zu fünft eine Drei-Zimmer-Wohnung ohne Balkon teilen muss, für wen vielleicht noch die Aufgabe der Betreuung von kleineren Geschwistern hinzukommt oder wer einen PC für vier Personen hat, für den oder die besteht keine Chance, sich ausreichend auf die bevorstehenden Klausuren vorzubereiten. Und dabei handelt es sich nicht um Kinder und Familien der oberen sozialen Schichten, um Kinder von Firmenchef*innen oder um Kinder von denjenigen, die heute die Entscheidungen im Umgang mit Corona treffen, sondern um all die Kinder und Familien, dessen Probleme in der Gesellschaft noch nie Gehör fanden. Hinzukommt, dass psychische Belastungen durch die jetzigen Unsicherheiten vermehrt in Depressionen münden oder Angstzustände auslösen, die wieder zu einer Verhinderung von optimaler Vorbereitung führen. Nicht zu vergessen ist außerdem der Anstieg von häuslicher Gewalt. Corona sorgt dafür, dass Themenkomplexe wie Abschlussprüfungen in den Hintergrund rücken, während Probleme wie Gewalt, soziale Ungleichheiten, Überlebenskampf und die Angst um ‘Leib und Leben’ in den Fokus rücken. Wie können da die Abschlusspüfungen einfach so wie geplant stattfinden?!