In den letzten Wochen sind in Deutschland und anderen Ländern vermehrt Demos veranstaltet worden, bei denen sich unter Namen wie „Gemeinsam für unsere Grundrechte“ oder „Querdenken“ angeblich für die Bewahrung der Grundrechte in Zeiten der Corona-Pandemie eingesetzt werden soll. Ein Anliegen, dass sicherlich viele von uns nachvollziehbar und wichtig finden, schließlich sind Grundrechtseinschränkungen und reales und spürbares Problem- und bei den Lockerungen werden die Einschränkungen noch sichtbarer als vorher. Zu dritt im Park sitzen ist verboten, aber zu Hunderten am Fließband stehen ist erlaubt. Wieso darf man sich in Cafés quetschen aber nicht die im Sterben liegenden Verwandten besuchen oder bei der Geburt seines Kindes dabei sein?!
Dass diese Regelungen einer kapitalistischen Logik folgen ist unverkennbar, und Wut darüber ist angebracht, weil hier ganz offensichtlich die Menschen dem Profit untergeordnet werden. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig zu schauen, wie diese Kritik formuliert wird oder wer diese Kritik äußert. Die angeblich antikapitalistische Kritik der Coronaleugner*innen, die die gesamte Schuld an der aktuellen Situation einigen scheinbar die Welt kontrollierenden Milliardär*Innen zuschieben, fällt in sich zusammen, wenn man sich anschaut, welche Parteien im Bundestag diesen Kurs durchsetzen wollen: die AfD und die FDP, also zwei neoliberale Parteien, deren Anhänger*innen Lobbyarbeit für die angeblich verhassten Eliten betreiben. Es zeigt sich, dass die angebliche Kritik bestenfalls leere Phrasen sind, um eine Basis für Behauptungen wie „Bill Gates will uns alle zwangsimpfen“ zu schaffen, in vielen Fällen aber auch eine klar antisemitische Komponente beinhalten. Dies fängt bei Erzählungen, die sämtliche Analysen von Kapital und marktwirtschaftlichen Zwängen außer Acht lassen und hört bei offen antisemitischen Aussagen über die Rothschilds auf. Eine generelle Unzufriedenheit und Verunsicherung angesichts der aktuellen Situation wird gezielt dazu genutzt, rechte Propaganda zu verbreiten und salonfähig zu machen. Die Anwesenheit von Familie Ulrich bei der ersten Demo vor zwei Wochen sowie ein Blick in die offene „Grundrechte OWL“- Telegramgruppe sollten hier letzte Zweifel aus dem Weg räumen. Dabei stellt Bielefeld keine Ausnahme dar, sondern die beschriebenen Dynamiken sind überall dort sichtbar, wo die vorgeblich zur Sicherung der Grundrechte veranstalteten Demos stattfinden.
Grundsätzlich wird sich argumentativ immer einer Querfrontlogik bedient, die faktisch jedoch nur eine Rechtsoffenheit bedeutet, denn für Linke schließt sich eine Zusammenarbeit mit Nazis dankenswerter Weise aus. Auch medial wird dieses Märchen der politisch unabhängigen Querfront immer wieder verbreitet, dort wird dann davon gesprochen, dass auf den Demos neben Rechtsradikalen auch linksradikale Kräfte und die bürgerliche Mitte anwesend wären. Daran zeigt sich: Die Extremismustheorie kommt nach wie vor gut an und bewahrt einen selbst davor, sich zu hinterfragen, mit wem man da eigentlich auf die Straße geht.
Auffällig ist auch, dass viele Promis, wie zum Beispiel die Musiker Xavier Naidoo und Sido, diese Verschwörungstheorien verbreiten. Sie alle vertreten in ihrer Argumentationen die Position, man müsse mit allen reden, sich jede Meinung anhören und auch Holocaustleugnung sei kein Grund, jenen den Holocaust verleugnenden Personen die Meinung abzusprechen oder wenigstens an ihrer Seriosität zu zweifeln.
Es ist für unseren Protest, diese Tatsachen offenzulegen. Die Leute, die bei diesen Demos mitlaufen und sich in diversen verschwörungstheoretischen Social-Media-Gruppen befinden, sind keine linken, keine progressiven Menschen. Es sind Nazis und Menschen, die kein Problem mit einem Schulterschluss mit Nazis oder der Weitertragung ihrer Ideologien und Propaganda haben. Deshalb muss für Antifaschist*innen überall klar sein, dass diese Demos bekämpft werden müssen. Wir dürfen den Rechten weder die Straße noch die Diskurshoheit überlassen. Stattdessen müssen wir versuchen, die Menschen mit emanzipatorischen Analysen der autoritär durchgesetzten, vom Kapital statt vom Wohlergehen der Menschen gesteuerten Maßnahmen zu überzeugen.
Für das gute Leben für alle und gegen Verschwörungsideologien und das Sterben für den Profit!